Anne Voigt drehte erst schnell noch die Siegerrunde mit der Mannschaft und ließ sich von den Zuschauern in der Erdgas Sportarena abklatschen. Dann suchte die Torhüterin der Zweitliga-Handballerinnen von Union Halle-Neustadt ihre schwarze Trainingsjacke und entfernte sich ein paar Schritte von der Auswechselbank, wo die Teamgefährtinnen immer noch den deutlichen 36:21 (19:9)-Erfolg über den Aufsteiger SG Mainz-Bretzenheim feierten. Sie verschränkte die Arme, senkte den Kopf und hing einfach nur ihren Gedanken nach. Fast nichts schien sie in diesem Moment ablenken zu können.
Erst auf die Frage, was sie denn dazu sage, dass in ihrer Statistik dieser Partie 15 gehaltene Bälle stehen, fand die 23-Jährige in die Realität zurück. Sie war überrascht, schlug etwas verschämt die Hände vors Gesicht, um dann ehrlich zu antworten. „Sagenhaft, wenn ich bedenke, dass ich vor einer Woche in Koblenz eine glatte Nullnummer hingelegt habe.“ Dieser Misserfolg beim Tabellenzweiten hatte sie unter der Woche noch beschäftigt und dann schließlich motiviert. „Ich habe mir gedacht: Auf ein Neues, denn schlechter geht es ja eigentlich nicht“, sagte Voigt. Und dann folgten ausgerechnet jene ersten fünf Minuten im Spiel gegen Mainz-Bretzenheim, in denen die Gedanken an die Vorwoche zurückkamen. Helena Mikkelsen und Eileen Uhlig verwarfen, dazu ein Ballverlust und die Gäste bestraften dies mit einer hundertprozentigen Trefferquote bei ihren ersten vier Würfen: 1:4. Der bange Blick von Voigt ging zur Bank. Doch anstatt seine Nummer eins auszuwechseln, forderte Trainer Jörgen Gluver seine Feldspielerinnen auf, im Angriff doch etwas mehr Konzentration an den Tag zu legen. Und als dann Nadine Smit in Unterzahl zum 5:5 ausglich (10.), hatte Voigt bereits vier Paraden in ihrer Statistik stehen. „Ich war so froh, dass mich der Trainer in dieser Situation im Tor gelassen hat. Er hat mir damit ein unheimlich gutes Gefühl gegeben. Und als dann auch die Abstimmung in unserer Abwehr immer besser geklappt hat, bin ich sicherer geworden“, sagte Voigt.
Zur Pause (19:9) lag ihre Fangquote bei überdurchschnittlichen 50 Prozent, bei ihrer Auswechslung zehn Minuten vor dem Ende immerhin noch bei 45 Prozent. Und als hätten die Torhüterinnen ihrer Mannschaft an diesem Nachmittag etwas zurückzuzahlen, steuerte auch Nicole Roth noch ihren Teil zum bislang höchsten Saisonerfolg der Wildcats bei. Von neun Würfen entschärfte sie in den letzten zehn Minuten sieben, darunter zwei Siebenmeter. „Die Torhüterinnen haben heute einen überragenden Tag gehabt“, lobte Gluver. „Sie waren die Basis für unseren Erfolg. Hinzu kamen sechs Tore in Unterzahl, die wir in jedem Training ganz speziell üben. Vier abgeblockte Bälle einer ganz starken Pia Dietz in der Abwehr und fünf Tore von Nadine Smit von Linksaußen, wo sie sich als echte Alternative entwickelt.“
Angesichts der 15 Tore Differenz blickte der Wildcats-Coach ausnahmsweise auch einmal darüber hinweg, dass seine Mannschaft zu Beginn des zweiten Abschnitts zurücksteckte und so einen noch deutlicheren Erfolg leichtfertig vergab. Doch Gluver nahm sein Team in Schutz. „Wenn du zur Pause mit zehn Toren führst, dann kommt auch einmal eine Phase, in der du nicht mit hundert Prozent bei der Sache bist. Wichtig war für mich, dass die Mannschaft zum Schluss wieder angezogen und auch die zweite Hälfte noch deutlich gewonnen hat“, so der Union-Trainer. Auch Torhüterin Anne Voigt hatte immer ein gutes Gefühl: „Wir haben es schon einmal fertiggebracht, von einer Acht-Tore-Führung zur Pause sieben Tore zu verspielen. Aber heute war ich mir sicher, dass wir nicht in eine Talsohle rutschen werden. Irgendeine hatte immer eine Lösung.“
Sie hätte die von Gluver angesprochenen Gründe für den Erfolg beliebig fortführen können. Fünf Spielerinnen erzielten fünf und mehr Treffer. Eileen Uhlig war neun Mal erfolgreich und traf alle drei Siebenmeter. Und in sieben Unterzahlsituationen kassierten die Wildcats nur zwei Gegentreffer, erzielten selbst aber sechs Tore. (mz)
Union: Voigt, Roth; Reppe, Dietz 2, J. Hummel 5, St. Hummel 6, Möschter 6, Winkler, Smit 5, Heimburg, Jäger, Uhlig 9/3, Rupp 2, Mikkelsen 1