Als alle anderen schon längst in der Kabine verschwunden waren, da trotteten Lea Gruber und Danique Boonkamp noch durch die Erdgasarena. Den linken Fuß jeweils befreit vom Turnschuh, dafür straff bandagiert. Die medizinische Abteilung des Vereins hatte den beiden Union-Handballerinnen Bewegung verordnet. Auch wenn diese zuvor fast 60 Minuten ohne Pause mit ihren Teamkolleginnen übers Parkett gejagt waren und mit je zwei Toren dazu beigetragen hatten, dass der Zweitligaspitzenreiter gegen Beyeröhde einen standesgemäßen 31:23-Sieg einfuhr.
Wildcats gegen Beyeröhde: Rückstand in erster Halbzeit
„Der Fuß darf nicht anschwellen“, erklärte Lea Gruber die Zusatzschicht. Ein Band nämlich ist – schon im Spiel letzte Woche – gerissen. Das hatte ein MRT später zutage gebracht. Bei ihrer Teamkollegin wiederum war eine starke Überdehnung diagnostiziert worden. An Ruhe wollten aber beide nicht denken. „Vielleicht hätte ich ausgesetzt, wenn die personelle Situation bei uns anders gewesen wäre“, sagte Lea Gruber. So aber hat die Rückraumspezialistin selbst entschieden, sich in den Dienst ihrer Mannschaft zu stellen. Ebenso wie Danique Boonkamp.
„Eine bemerkenswerte Einstellung“, lobte Vereinspräsident Bodo Meerheim die beiden Spielerinnen, wohl wissend, dass es ohne den selbstlosen Einsatz dieser Zwei für den Rest der Rumpftruppe noch ungleich schwerer geworden wäre, die Siegpunkte zu sichern. Denn Sophie Lütke fehlte nach ihrem verschleppten grippalen Effekt diesmal noch und Pia Dietz fällt nach ihrer Schulter-OP sogar länger aus.
Wildcats spielen praktisch nur acht mit Feldspielerinnen
Mit praktisch nur acht Feldspielerinnen – drei Talente saßen zur Absicherung mit auf der Bank – wurde dieses Spiel zu einem Kraftakt. Nach miesem Start (1:6/9. Minute) und zäher erster Halbzeit (11:13) mit vielen vergebenen Chancen haben die Hallenserinnen lange fighten müssen, um das Spiel noch zu drehen. „Wir hatten in der Woche kaum zusammen trainieren können, waren manchmal nur vier, fünf Leute“, erklärte Julia Redder die Anlaufschwierigkeiten. Diesmal sprang sie als Vollstreckerin in die Bresche. „Beyeröhde hat vor allem auf der rechten Seite dicht gemacht“, sagte die 21-Jährige. „Da hatte ich links viel Platz.“ Weil ihre ersten Versuche gleich von Erfolg gekrönt waren, machte sie mutig weiter und brachte es so auf sechs Tore. „Wenn der erste Wurf reingeht, dann hast du nicht sorgenvoll im Hinterkopf ,Der nächste muss jetzt aber sitzen’ und alles geht wesentlich leichter“, erklärte sie.
Auch Laura Winkler zeichnete sich diesmal als Torschützin aus, traf fünfmal. Ihre Fingerverletzung an der linken Hand und den langen Trainingsausfall hat sie völlig aus ihren Gedanken verbannt. „Das behindert mich gar nicht mehr“, sagte sie, auch wenn Ring- und Mittelfinger durch ein straffes Tape förmlich aneinanderkleben. Die Freude über den Teamerfolg und auch ihren persönlichen Beitrag dazu war groß. Trotzdem ist ihr Blick nicht verklärt: „Wir sind zu wenig in die Lücken gegangen, haben es vom Tempo her dem Gegner zu leicht gemacht.“ Beyeröhde wirkte phasenweise explosiver.
Wildcats müssen nun zum Dritten nach Zwickau
Diesmal hat es gereicht, den Kontrahenten niederzuringen. Weil sich eine Laura Winkler und Julia Redder steigern konnten. Und die angeschlagenen Lea Gruber und Danique Boonkamp die Zähne zusammenbissen. Das gilt auch für Saskia Lang, die zwischenzeitlich mit dem Training aussetzen musste. Dazu war einmal mehr auf Torhüterin Anica Gudelj Verlass. Der Tabellenzwölfte hatte am Ende aber auch Federn gelassen. Nächste Woche in Zwickau beim Dritten wird auf die Wildcats zweifellos eine schwierigere Aufgabe warten – auch wenn dann Sophie Lütke wahrscheinlich wieder mit auf Torjagd gehen kann. Und: Das wird erst das letzte Spiel der Hinrunde sein. Die Saison ist also noch sehr lang.
Die Vermutung liegt nahe: Mit diesem Minikader das anspruchsvolle Ziel „Rückkehr in die Eliteliga“ zu schaffen, wird ein Vabanque-Spiel. Auch wenn diese Mannschaft Charakter hat, daran zweifelt nun wohl niemand mehr.