Es drohte das scheinbar Unvermeidliche. Mal wieder. Nur noch 21 Sekunden waren in der Auftaktpartie der zweiten Handball-Bundesliga zwischen den Halle Wildcats und der SG Herrenberg zu spielen. Spielstand: 28:27 für Herrenberg. Ballbesitz: Herrenberg. Die Gäste mussten nur noch die Uhr runterspielen, um den Wildcats eine erneute Auftaktniederlage zuzufügen. Es wäre die neunte in Serie gewesen.
Aber ein technischer Fehler der Gäste brachte Union doch noch einmal in Ballbesitz. Hektisch wurde der Ball nach vorne getragen. Ein paar Pässe, dann drückte Helena Mikkelsen ab. Zwei Sekunden vor Schluss rauschte der Ball ins linke Eck. Ausgleich: 28:28. Jubelexplosion bei den Spielerinnen und auf den Rängen der Erdgas Sportarena. Klar, es war nur ein Punkt. Aber nach dem Ausgleich in den letzten Sekunden war es ein „gewonnener Punkt“, so Trainer Jörgen Gluver. Das erklärte den kollektiven Jubel. Und es war noch ein bisschen mehr als das. Das Unentschieden bedeutete das Ende der schwarzen Auftakt-Serie. Endlich stehen die Wildcats nach dem ersten Saisonspiel mal nicht mit leeren Händen da. Und: „Das Spiel beweist, dass wir zur Spitze gehören“, meinte Gluver. Gegen einen Gegner, der zu den stärksten der Liga zählen dürfte, zeigten sich die Wildcats zu jeder Zeit auf Augenhöhe. Deuteten an, dass der Aufstieg kein weltfremdes Ziel ist, wenn es gelingt, das vorhandene Potenzial durchgängig abzurufen. „Wir können es ganz weit schaffen“, bekräftigte Lorena Jackstadt.
Die Torfrau war das überraschende Gesicht in der Aufstellung der Wildcats. Weil sich die Arbeitserlaubnis für den ukrainische Neuzugang Nataliya Gayovich verzögert, legten die Wildcats unmittelbar vor Ligastart noch einmal personell nach und verpflichteten das 19-jährige Talent vom Oberligisten ASC Dortmund. Zwei Trainingseinheiten hatte Jackstadt mit der Mannschaft absolviert, dann stand sie gegen Herrenberg die komplette Spielzeit auf der Platte. „Das war schon sehr spontan“, meinte Jackstadt. Trotzdem zeigte sie vor allem in der ersten Halbzeit eine sehr gute Leistung. So, wie die ganze Defensive der Wildcats, die viel stärker agierte als im Pokalspiel gegen Berlin vor einer Woche. „Mit der Abwehr war ich sehr zufrieden, da haben wir uns deutlich gesteigert“, freute sich Trainer Gluver.
Nur elf Gegentore ließ Union gegen einen stark besetzten Gegner bis zur Pause zu, lag aber trotzdem mit zwei Toren zurück. Der Grund: Die Offensive, sonst die Stärke der Wildcats, funktionierte überhaupt nicht. „Wir haben viele technische Fehler gemacht, unsere Chancen nicht genutzt“, meinte Rückraum-Spielerin Laura Winkler. Nach der Pause war das Bild dann komplett gedreht, nun trafen die Wildcats fast nach Belieben, verteidigten gegen einen offensiv ebenfalls stärker werdenden Gegner aber auch nicht mehr so effektiv. „Die Spielerinnen sind müde geworden“, meinte Gluver. Das Spiel der Wildcats war so zweigeteilt: In der ersten Halbzeit überzeugte vor allem die Defensive, in der zweiten die Offensive. Insgesamt wurde das vorhandene Potenzial in vielen Phasen gezeigt, aber es bleibt weiter Luft nach oben. Ein durchgängig starker Auftritt gelang den Hallenserinnen gegen Herrenberg noch nicht. „Wir müssen Schritt für Schritt machen“, meine Gluver.
Der nächste Schritt muss nun in der kommenden Woche beim Auswärtsspiel gegen Zwickau erfolgen. Ein Gegner, der schwächer einzuschätzen ist als Herrenberg. Aber gerade diese Mannschaften bereiteten den Wildcats immer wieder Probleme. Gerade gegen solche Mannschaften fehlte oft die nötige Einstellung. Vor allem auswärts.Die Wildcats wollen zeigen, dass sie sich weiterentwickelt haben. „Ich hoffe das“, sagte Gluver. Das klang noch nicht so recht überzeugt. Daher legte der Trainer nach: „Ich glaube das auch.“ Die richtige Einstellung und ein Sieg würden zeigen, dass die Wildcats wirklich zur Spitze gehören.
Mitteldeutsche Zeitung vom 12.09.2016