Es war die 45. Minute, als Patrycja Mikszto das erste Mal die Faust in die Höhe der Erdgas Arena reckte. Mit einer tollen Parade hatte die zuvor recht erfolglose Torhüterin von Union Halle-Neustadt der Nellingerin Desire Kolasinac den Schneid abgekauft und damit das Aufwachsignal für ihre Vorderleute gegeben. Die verstanden die Botschaft und verwandelten unter dem Jubel der erneut ansprechenden Kulisse von 620 Zuschauern einen 21:23-Rückstand binnen fünf Minuten in eine 27:24-Führung – die Grundlage für den später noch sicheren 33:28 (17:14)-Erfolg des Tabellen-Siebten gegen den Sechsten – Platzwechsel eingeschlossen in der Rangliste.
Auch der Trainer der Wildcats, Jörgen Gluver, bezeichnete jene Situation in der 45. Minute später in seiner Analyse als „Schlüsselszene für das gesamte Spiel“. Sowohl Mikszto als auch Anne Voigt hatten zuvor kaum eine Hand an die Würfe der Nellingerinnen bekommen. „Beide Torhüterinnen hatten bis dahin jeweils zwei gehaltene Bälle. Da wird es schwer, ein Spiel auf Augenhöhe für sich zu entscheiden“, sagte Gluver. Und fast hätte sich die gesamte Mannschaft davon anstecken lassen.
Die Wildcats begannen mit hohem Tempo, ließen die Gäste kaum zum Atmen kommen und führten nach vier Minuten bereits mit 5:1. Diesen Vorsprung behaupteten sie in etwa bis zur Pause (17:14), leisteten sich zudem aber noch sechs Fahrkarten bei hundertprozentigen Möglichkeiten. Ein Kritikpunkt für Gluver. „17 Tore in einer Halbzeit sind völlig in Ordnung. Aber heute hätten wir es uns mit etwas mehr Konzentration wesentlich leichter machen können“, sagte der Däne.
Doch leicht wollten seine Wildcats an diesem Abend nicht. Auch nach dem Seitenwechsel gingen die ersten drei Würfe am generischen Gehäuse vorbei. Die Folge war besagter 21:23-Rückstand nach 45 Minuten. Doch mit der eingangs beschriebenen Parade von Patrycja Mikszto bekamen die Spielerinnen die zweite Luft. Allen voran Torjägerin Jacqueline Hummel, die ihre Führung in der Torschützenliste mit zwölf Treffern deutlich ausbaute, und Elisa Möschter, „die zehn ihrer zwölf Torwürfe im gesamten Spiel verwandelt hat“, wie Gluver notiert hatte. „Das war eine Riesenleistung. Hätte sie nicht noch zweimal den Pfosten getroffen, wäre sie bei hundert Prozent gewesen.“ Die so Gelobte hatte davon aber nicht viel mitbekommen. „Das ich zweistellig getroffen habe, ist mir gar nicht so bewusst geworden“, sagte Möschter. „Aber Miko hat in der entscheidenden Phase stark gehalten und wir haben in der Abwehr wieder zugelegt. Für die Zuschauer war dieser Spielverlauf vielleicht etwas aufregend. Aber so ist das bei uns öfter. Da wird es wenigstens nie langweilig.“
Übrigens nahm Gluver auch sich selbst in die Kritik. Auf die zahlreichen Wechsel zwischen Abwehr und Angriff angesprochen, übernahm der Wildcats-Coach die Verantwortung für die Niederlage eine Woche zuvor in Neckarsulm (29:33). „Ich habe dort Linda Jäger auf der Regieposition durchspielen lassen. Sie hatte in der zweiten Halbzeit keine Körner mehr und wir haben die Punkte abgegeben. In dieser Woche war sie zudem krank. Da wollte ich einfach nichts riskieren.“
Der Wildcats-Trainer hatte es nach dem Spiel eilig. Vor ihm lag noch eine siebenstündige Fahrt in die Heimat Dänemark. „Ich muss am Sonntag Torhüterinnen beobachten“, sagte er fast so leise, als dürfe es niemand mitbekommen. „Wir haben fünf Kandidatinnen zwischen denen wir uns entscheiden müssen.“
Union: Mikszto, Voigt; Dietz, J. Hummel 12/2, St. Hummel 5, Möschter 10/4, Michel 1, Jäger, Uhlig 4, Stuparicova, L. Umbusch, Rupp 1 (mz)